Wußten Sie, dass die älteste Stadt im Land Brandenburg einst als Doppelstadt entstand? Die heutigen Stadtteile der Stadt Brandenburg an der Havel, die Altstadt bzw. die Neustadt, waren, obwohl deren Gründungen nur 26 Jahre auseinander liegen, lange Zeit zwei selbständige Städte. Die Alte Stadt Brandenburg wurde erstmalig im Jahre 1170 und die Neue Stadt Brandenburg erstmalig im Jahre 1196 erwähnt. Viele Jahrhunderte jedoch, nur durch die Havel getrennt, agierten beide Städte völlig selbständig. Nur den Schöppenstuhl in mitten der Havel teilten Sie sich.
Erst im Jahre 1715 erfolgte die "Zwangsvereinigung" der Alten Stadt Brandenburg und der Neuen Stadt Brandenburg durch den Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. zur "Vereinten Chur- und Hauptstadt Brandenburg".
Ausdruck findet dies heute noch im Stadtwappen der Stadt Brandenburg an der Havel.
Die bedeutende gleichnamige Burg taucht anlässlich ihrer Eroberung im Winter 928/29 zum erstenmal in den Schriftquellen auf und ist bis zum endgültigen Übergang in die deutsche Machtsphäre nicht weniger als elfmal Schauplatz militärischer Auseinandersetzungen und wechselte mehrfach den Besitzer.
Forschungsgrabungen auf der Dominsel konnten den Standort und die Baugeschichte der mittelslawischen Burg erschließen und zeigen für die spätslawische Epoche das Bild einer blühenden Frühstadt mit Fernhandel und hoch spezialiserten Handwerk.
Wie sich aus diesem Burgkomplex mit seinen Suburbien (vorgelagerte Siedlungen) nach der deutschen Übernahme 1157 die deutschrechtliche Doppelstadt "Alte Stadt Brandenburg" und "Neue Stadt Brandenburg" entwickelte, ist in zahlreichen Studien untersucht und anhand der spärlichen schriftlichen Quellen rekonstruiert worden.
Durch eine Vielzahl archäologischer Untersuchungen seit 1991 ergab sich die Möglichkeit, die von den Historikern aufgestellten Thesen auch an den materiellen Hinterlassenschaften zu überprüfen und zu ergänzen. Die archäologischen Untersuchungen folgen als Rettungsgrabungen dem Takt des Baugeschehens. Der Prozess der umfassenden Stadtsanierung, der 1990 einsetzte und noch immer nicht abgeschlossen ist, ergab dennoch ein dichtes, aber eben nicht flächendeckendes Netz dokumentierter Aufschlüsse. Es überwiegen die Untersuchungen im Straßenraum, während Bereiche der Parzellen und die Stadtränder nur punktuell erfasst sind.
Im folgenden sollen die Befunde zur frühen Entwicklung der Altstadt dargestellt werden, die der planmäßigen Stadtanlage zeitlich vorangehen.
Diese Zeitschicht von etwa 1100 bis 1200 verspricht dabei eine besonders feine Differenzierung, weil in dieser Zeit das keramische Fundmaterial schnell relativ scharfe Zäsuren durchmacht. Die Entwicklung verläuft von der spätslawischen Keramik über die sogenannte „Übergangsware“ und die weiche deutsche Grauware hin zur frühen hart gebrannten Grauware, die dann für Jahrhunderte die gängige Keramik der deutschrechtlichen Stadt bleibt.
Das Jahr 2010 ist das 860. Todesjahr des im Jahre 1150 verstorbenen letzten Slawenfürsten, der für die Stadt Brandenburg historisch außerordentlich bedeutsam ist. Diese Tatsache ist schon deshalb
erwähnens- und einer öffentlichen Würdigung wert, weil ohne den im Jahre 1127 in der Burg Brandenburg an die Macht gekommene Hevellerfürst, Pribislaw, der den deutschsprachigen Taufnamen Heinrich
trug, deshalb zumeist mit dem Doppelnamen Pribislaw-Heinrich genannt wird, weil ohne ihn die Geschichte der Stadt wohl anders geschrieben worden wäre.
Erst das Patengeschenk Pribislaw-Heinrichs für den Sohn Albrecht des Bären, Otto I., die Zauche, und die Vereinbarung mit dem Askanier Albrecht der Bär, denselben als seinen Nachfolger einzusetzen,
ermöglichten die Gründung der Neuen Stadt Brandenburg. Denn die Zauche, nun Eigentum des Askaniers, war ein Gebiet, das südlich bis an die Havel und die Burg Brandenburg heranreichte. Erst diese
historischen Begebenheiten ermöglichten die über Jahrhunderte andauernde Geschichte der Stadt, der „Alten Stadt Brandenburg“ und der „Neuen Stadt Brandenburg“ als Doppelstadt.
Beide brandenburger Städte prägten und beeinflussten als politische (militärische), wirtschaftliche und kulturelle Zentren, durch ihren Doppelcharakter nachhaltig die künftige Entwicklung der Mark
Brandenburg bis zu ihrer „Zwangsvereinigung“ durch Friedrich Wilhelm I. zur „Vereinigten Chur- und Hauptstadt Brandenburg.
Übrigens, wenn die Stadt noch immer ihr „Alleinstellungsmerkmal“ gegenüber anderen Städten sucht, dann ist es der Charakter der Stadt als Doppelstadt, deren historische Grundzüge noch heute erlebbar
sind, was einzigartig in Deutschland ist. Dem Fürsten der Havelslawen (Heveller), Pribislaw-Heinrich in seinem 860. Todesjahr zu gedenken, dem eigentlichen Verursacher einer bestimmten
geschichtlichen Entwicklung hier im Havelland und des Land Brandenburg, ist schlicht nur eine notwendige Verbeugung vor dessen historischer Bedeutung.